Die Walküre
Premierenbesetzung 2016.2017 => Musikalische Leitung | Alexander Joel * Siegmund | Richard Furman * Hunding | Young Doo Park * Wotan | Gerd Grochowski * Sieglinde | Sabina Cvilak * Brünnhilde | Sonja Gornik * Fricka | Margarete Joswig * Helmwige | Sarah Jones * Gerhilde | Sharon Kempton * Ortlinde | Heike Thiedmann * Waltraute | Judith Gennrich * Siegrune | Marta Wryk * Rossweiße | Anna Krawczuk * Grimgerde | Maria Rebekka Stöhr * Schwertleite | Romina Boscolo
Spielzeit 2016.2017 / IMF 2017 (RING-Zyklus) / 2020.2021 (mit IMF) / 2023.2024 (RING-Zyklus):
4. Februar 2024 - Wiederaufnahme
29. März 2024
26. Mai 2024 - Internationale Maifestspiele (IMF)
Dieter David Scholz, Deutschlandradio Kultur
Fulminante "Walküre" am Hessischen Staatstheater Wiesbaden
Stürmisch ist er, der Beginn der "Walküre", die in Wiesaden nur 8 Wochen nach dem "Rheingold" über die die Bühne geht. Zu den diesjährigen Mai-Festspielen soll der neue "Ring" bereits komplett gezeigt werden. Dieses rasante Premierentempo konnte man wohl nur erreichen, da die Produktion auf einer basiert, die Laufenberg in Linz herausgebracht hatte. Doch schon während er in Linz probte und seine Ernennung zum Intendanten in Wiesbaden erhielt, nahm er sich vor, die Tetralogie auch an seinem neuen Haus zu zeigen. Allerdings nicht als Eins-zu-Eins-Übernahme, sondern mit einem komplett neuen Sängerensemble. Den noblen Wotandarsteller Gerd Grochowski allerdings nahm er mit nach Wiesbaden. Er war eine singschauspielerische Autorität.
Ein Grossteil der realistisch prächtigen "Ring"-Ausstattung von Gisbert Jäkel wurde von Linz nach Wiebaden übernommen, einige Bilder wurden allerdings neu und anders gebaut. Auch in der Personenführung änderte sich Manches, schon weil Laufenberg - mit genannter Ausnahme - in Wiesbaden ein Ensemble mit Rollendebütanten zur Verfügung steht, das jung, sportlich und ohne jede Routine an das anspruchsvolle Werk herangeht. Die grösste sängerische Entdeckung ist Sonja Gornik als Wotanstochter Brünnhilde, eine neue hochdramatische Sängerin, die starke Bühnenpräsenz mit Stimmkraft und Wortverständlichkeit vereint, ein Glücksfall.
Die "Walküre" erzählt die Liebesgeschichte zwischen Siegmund und Sieglinde, die Vorge-schichte der eigentlichen Siegfried-Tragödie. Es gab zwischen den Inszenierungen von Wieland Wagner, Patrice Chéreau und Frank Castorf, die als Marksteine der Aufführungs-geschichte nach 1945 gelten dürfen, zahllose "Ring"-Inszenierungen. Unter allen möglichen Gesichtspunkten ist diese gesellschaftskritische Parabel Wagners durchleuchtet und auf die Bühne gebracht worden. Eine Herausforderung für jeden "Ring"-Regisseur heute. Ist diesem Werk noch eine neue Facette abzugewinnen? Uwe Eric Laufenberg wagt in seiner Interpre-tation der Wagnerschen Tetralogie, in der es um der Welt Anfang und Ende geht, einen Gang durch die Menschheitsgeschichte. Und beruft sich dabei auf Wagner.
Laufenberg beginnt im "Rheingold" in archaischer Zeit. In der "Walküre" ist man aber bereits in unserer Gegenwart. Der erste Akt spielt in einem Wirtshaus, das um einen gewaltigen Baumstamm gebaut ist, aus dem der Halbgott Siegmund das Nothungschwert zieht. Der junge Tenor Richard Furman, auch er Debütant wie seine grossartige Bühnenpartnerin Sabina Cvilak als Sieglinde, hat alles, was man für die Partie braucht, er ist blond, sportlich und verfügt über eine jugendlich heldische Stimme.
Im zweiten Aufzug sieht man ein Militärzelt, eine Art Hauptquartier, in dem Göttervater Wotan als kriegführender, moderner Feldherr zur Lagebesprechung geladen hat. Der dritte Akt zeigt eine Mischung aus Aufbahrungs- und Reithalle, in der die 8 vorzüglich singenden Walküren getötete Krieger hereinschleppen und mit Leichenteilen nur so um sich werfen. Eine makabre Zene der amazonenhaften Spezialtruppe Wotans. Sogar ein echtes Pferd hat seinen temperamentvollen Auftritt. Die stärkste, bewegendste Szene ist das Schlussbild, in dem eine Monumentalstatue einer Göttin von den Walküren auf die Bühne gefahren wird. Es ist eine Kreuzung aus Pallas Athene und Germania. Womit Laufenberg sehr sinnig auf den Antikenbezug des Werks, aber auch auf seine deutsche Rezeption anspielt. Nach sehr intimem, bewegendem Vater- Tochter-Abschiedsritual wird die abtrünnige Brünnhilde in dieses Götterbild eingemauert, aus dem sie nur der stärkste Held einst wird befreien können. Und dann lässt Laufenberg einen Feuerzauber abbrennen, wie man ihn lange nicht gesehen hat. Seine pyrotechnischen Zaubereien werden allerdings durch Videos überblendet, die das kommende Menetekel der Tetralogie schon vorausahnen lassen. Man wohnt einem Nachtflug über dem Lichterdschungel des New Yorker Times Square bei. Bombergeschwader prophezeien Ungutes.
Laufenbergs inszenierung ist stark. Vor allem das Schlussbild. Seine Inszenierung macht Sinn, ist handwerklich und psychologisch gut geführt. Eine poetische wie aufrüttelnd gegenwärtige Inszenierung. Antje Sternbergs kostümlich gelungener Spagat zwischen Mythos und Moderne verleiht ihr Nachdruck. Alexander Joels rauschhaft energisches, präzise ausbalanciertes Dirigat lässt keinen Wunsch offen. Er verlangt dem Hessischen Staatsorchester Wiesbaden viel ab. Es folgt ihm eindrucksvoll. Chapeau! Schon jetzt darf man vom musikalisch faszinierendsten "Ring" im Rhein-Main-Gebiet sprechen, das ja in Frankfurt, Mannheim und Kasrlsruhe noch drei weitere "Ringe" zu bieten hat.
H. Boscaiolo
Verfolgungsjagd, stürmische Orchestermusik, Gewitter, Sturm. Der Blick fällt in einen düsteren, von einem gewaltigen Eschenstamm dominierten Raum. Eine abgelegene Kneipe? Möglicherweise unter der Erde, da sich Verfolgungsszenen in einem oberen, durch Fenster aufgeteilten Stockwerk abspielen. Ein Kind kauert unter einem großen Tisch, an dem Sieglinde sitzt. Eine andere Frau vervollständigt die gedrückte, von Angst besetzte Szene. Siegmund wankt herein. Offensichtlich wird er verfolgt. Erschöpft fällt er zu Boden. Die Stimmung wandelt sich abrupt. Siegmund und Sieglinde sehen sich erstmals und sofort erklingt das Liebesmotiv, noch zögerlich. Lange blicken sie sich an. Im oberen Stockwerk erscheint Brünnhilde mit Speer und schaut wohlwollend auf die beiden herab. Das Bühnenfestspiel erster Teil kann beginnen.
Die Walküre gilt allgemein als das Schlüsselwerk der Tetralogie „Der Ring der Nibelungen“. Bereits 1854 von Richard Wagner (1813-1883) in Zürich weitgehend vollendet, fällt sie in die Zeit seiner großen, unerfüllten Liebe zu Mathilde Wesendonck (1828-1902), einer verheirateten Frau seines reichen Mäzens Otto Wesendonck, sowie seiner intensiven Auseinandersetzung mit Artur Schopenhauers (1788-1860) Weltentsagungs- und Askesetheorien. Die Walküre ist ein schicksalhaftes Drama um Macht und Liebe, um Treue und Untreue, aber vor allem geht es in ihr um Ehre und den Verrat an den eigenen Verträgen, den Wotan, der Gott aller Götter, zum Gefangenen seiner selbst macht: „In eigner Fessel find ich mich: ich unfreiester Aller!“ ruft er verzweifelt im zweiten Akt.
Die Wiesbadener Inszenierung unter der Federführung von Uwe Eric Laufenberg verstand es wieder einmal prächtig, das Moderne und Zeitnahe dieser Oper hervorzuheben. Wotan, als Potentat in Generalsuniform, gab den postmodernen Egomanen, der sich unheilvoll in seinen eigenen Widersprüchen verfängt. Sehr überzeugend vom Bassbariton Gerd Grochowski gespielt und gesungen. Fricka, seine Gattin, spielte die eigentlich Betrogene, Verratene (Wotan schlief mit vielen Frauen, nur nicht mit ihr), forderte vordergründig die Einhaltung der Verträge und hielt ihrem Gatten seinen Selbstbetrug vor Augen, denn Siegmund und Sieglinde waren nicht die Freien, die Wotan zur Rettung Walhalls (man erinnert sich an den Ring und seine Folgen) brauchte, sondern seine eigenen Geschöpfe. Margarete Joswig, man könnte an Wagners Frau Wilhelmine „Minna“ erinnert sein, lief zu großer Form auf. Man hasste und verstand sie zugleich. Besser geht es kaum.
Siegmund, Richard Furman, und Sieglinde, Sabina Cvilak, ein ideales Paar, verkörperten die Liebe schlechthin. Die Zwillingskinder Wotans und Erdas waren nicht nur eine Augenweide, sondern Identitätsfiguren von der ersten Szene ihres Auftritts an. Man litt und hoffte mit ihnen. Kaum ein Auge blieb trocken nach dem ersten Akt und pures Entsetzen folgte beim ungerecht empfundenen Tod Siegmunds durch den Eingriff Wotans und der Todessehnsucht Sieglindes nach dem Tod ihres Geliebten. Ergreifend, mit höchster Intensität gespielt und von wunderbaren Stimmen gesungen, die bis zum Schluss ihre Frische, Helle und Lebendigkeit bewahrten.
Hunding, das genaue Gegenstück der beiden, wurde von Young Doo Park mit erschreckendem Realismus dargestellt. Die gesamte Schlechtigkeit des Menschen in einer Person vereint, wahrte er dennoch das Friedensgebot im Haus und stellte sich dem Zweikampf mit Siegmund. Er, eine Nebenfigur der Raison d´Ĕtre, überzeugte durch seinen gewaltigen Bass und seine gewalttätige Präsens. Ein Hunding, wie man ihn so selten präsentiert bekommt.
Dann die Walküre und ihre acht Schwestern. Unvergessen die Zweierszenen mit Brünnhilde, Sonja Gornik, und Wotan, ihrem Vater. Eine Dialektik zwischen Liebe und Macht, zwischen dem Willen nach Humanitas, nach dem Zurück zur Natur und der Staatsräson. Brünnhilde, die Lieblingstochter Wotans, widersetzt sich der Paradoxie ihres Vaters, den neuen Menschen zu schaffen und ihn wieder zu vernichten. Sie soll das Produkt der Hoffnung der Menschheit, Siegmund, töten und damit den Untergang von Walhall einleiten? Als Walküre, Kriegerin, Soldatin, zu absolutem Gehorsam gegenüber ihrem Göttervater verpflichtet, entscheidet sie sich für die Liebe und gegen seinen Befehl: Siegmunds Tod. Das wichtigste Ereignis der Tetralogie von einer außergewöhnlichen Stimme geradezu beschworen. Brünnhildes Satz: „Sieglinde lebe und mit ihr Siegmund!“ leitet die Wende ein. Wotan, postmoderner Egomane, außer sich vor Zorn, bezeichnet sie als „Verbrecherin“, schließt sie aus dem Kreis der Walküren aus und möchte sie, in tiefen Schlaf versetzt, jedem Dahergelaufenen preisgeben. Hat die Liebe verloren? Sind Götter wie Menschen von allen guten Geistern verlassen? Wotan jedenfalls möchte nur noch: „Das Ende“.
Der Walkürenritt im dritten Akt geriet zu einem Tongemälde von plastischer Eindringlichkeit und einer Demonstration rasender Wotanstöchter mit Pferd, Leichen und Videobildern kriegszerstörter Städte über dem Tor von Walhall. Die Kriegerinnen sammelten ihre Helden aus den Schlachtfeldern auf - übrigens Teil ihrer Aufgabe - und eine Reiterin (eine Stuntfrau) auf einem Rappen warf in rasendem Galopp Körperteile in die Runde. Die Bühne brodelte und die Walküren (Sarah Jones, Sharon Kempton, Heike Tiedmann, Judith Gennrich, Marta Wryk, Anna Krawczuk, Maria Rebekka Stöhr und Romina Boscolo) sprühten energetisches Feuer bis ins Publikum hinein. Großartiges Schlachtgetümmel mit spritzigem Gesang, mal in Zweier,- in Dreier, in Vierergruppen, oder alle zusammen.
Wotan, zunächst noch ganz absoluter Herrscher, versprüht Gnadenlosigkeit gegenüber seiner Lieblingstochter. Eine große Figur, halb Siegesgöttin, halb Freiheitsstatue, steht in der Mitte der Bühne und wird von den Walküren geöffnet. Ein heftiger Dialog zwischen Brünnhilde und Wotan scheint letzteren zu besänftigen: „War es so schimpflich, was ich tat?“, fragt sie verzweifelt, und weiter: „War es nicht Wotans tiefster Wille?“ Hoffnung keimt auf mit einer Sinfonie von Leitmotiven: Rheingold-, Siegfried-, Pakt-, Liebes- und Walhallmotiv und noch mehr. Gnädig gewährt Wotan einen Feuerring, der nur von einem freien, unabhängigen und mutigen Mann überwunden werden kann - und wer anders könnte es sein als Siegfried, mit dem die geflüchtete Sieglinde bereits schwanger geht. Innige Umarmung zwischen Brünnhilde und ihrem Vater, bevor sie in der Statue, um den sich ein Feuerring bildet, verschwindet. Dazu Videobilder eines Weltenbrandes über den geschlossenen Toren von Walhall, der sich lichtet und New York, oder eine andere Weltgroßstadt, freigibt. Großer Film!
Starke Videos (Falko Stern), wieder sprühende Bühnenideen (Gisbert Jäkel), sehr durchdachte Kostüme (Antje Sternberg), perfekte Lichtshow (Andreas Falk), ausgefeilte Dramaturgie (Regine Palmai) und wunderbare musikalische Interpretation eines Orchesters in Höchstform (Alexander Joel).
Es gab und gibt viel zu diskutieren, wie zum Beispiel, warum der Wechsel der Kostüme vom Beduinen-Flair ("Rheingold") zum amerikanischen Soldaten-Look, warum das Kind im ersten und zweiten Akt? Warums gibt es viele. Aber genau das ist Oper. Sie braucht keine Logik im wissenschaftlichen Sinne, sondern vor allem starke Sänger, hervorragende Orchester und zeitgenössische Ideen. Und das bot die gestrige Premiere in perfekter Manier, da konnten die wenigen Buhrufe, die den brausenden Erfolg durchmischten, auch nichts daran ändern. Wieder einmal ein Wagner mit viel Diskussionsstoff. Mehr kann und sollte eine Oper nicht leisten. Gespanntes Warten auf "Siegfried"(Premiere am 02.04.).
Claus Ambrosius, Rhein-Zeitung
Uwe Eric Laufenberg, Intendant des Wiesbadener Staatstheaters, hadert mit Kritikern. Damit steht er nicht allein, doch im Gegensatz zu sich womöglich im Stillen ärgernden Regiekollegen veröffentlicht er ab einer gewissen Massivität des Gegenwindes eine Art „Gegendarstellung“ auf der Internetseite des Hessischen Staatstheaters. Zuletzt merkte er nach seinem viel gescholtenen „Parsifal“ bei den Bayreuther Festspielen auf. Eine seiner Aussagen sollte dabei auf jeden Fall Anlass zum Nachdenken geben: Die Kritiker, so Laufenberg sinngemäß, erwarten abgeschlossene Systeme, in denen sich eines aus dem anderen ergibt. Lassen also folglich keine Brüche zu, keine Mehrdeutigkeiten.
Keine Eindeutigkeit erwarten
Ein interessanter Ansatz, den man bei seiner Inszenierung des „Rings des Nibelungen“ unbedingt im Hinterkopf haben muss. Denn auch dort ist in der Regie nur eines gewiss: dass nichts gewiss ist. Startete der Vorabend „Rheingold“ als der Umzug göttlicher Beduinen in eine Akropolis auf wolkigen Höhen (also erzählt entlang alter Hochkulturen), so beginnt der erste Tag der „Ring“-Tetralogie, „Die Walküre“, in einer nordischen Gastwirtschaft. Diese Interpretation von Hundings Hütte freilich hat noch ein Obergeschoss, in dem Solisten und Statisten stumm die Verfolgung des Wotanssohnes Siegmund mimen – und von dem aus Oberwalküre Brünnhilde wie ein Schutzengel die Geschicke Siegmunds immer im Blick hat. Dass im Keller der berühmte Wonnemond dieses Aufzugs nicht scheint: Das ist dann halt so.
Weiter geht es im Zeitstrahl, und so ist Wotan auf einmal Heerführer im Zweiten Weltkrieg.
Dafür darf man sich in Wiesbaden über ein Ensemble freuen, das mit vielen Rollendebüts auf erstaunlichem Niveau aufwarten kann. Allen voran stellt sich die in Mainz ausgebildete Sopranistin Sonja Gornik als überwältigende jugendliche Brünnhilde vor, die mit guter Durchschlagskraft alle Klippen der Partie und die Orchesterwogen übersegelt, dabei bis zum Schluss lyrischen Wohlklang verströmen kann und neuralgisch schwierigsten Punkten der Partie Fantastisches leistet.
Auch Tenor Richard Furman macht mit einem starken Debüt als Siegmund nachhaltig auf seine Eignung für das Wagnerfach aufmerksam, als seine Zwillingsschwester Sieglinde bietet Sopranistin Sabina Cvilak eine auf Anhieb reife und souveräne Leistung in dieser anspruchsvollen Partie. Margarete Joswigs Fricka glänzt mit Ausgeglichenheit, Autorität und Noblesse, an ihrer Seite ist Gerd Grochowski ein gut gestaltender Wotan, der zu den stimmlich leichteren Sängern dieser Partie gehört. Er kann sich wie alle anderen auf den Dirigenten Alexander Joel im Graben verlassen, der mit einem offenbar gut gelaunten Orchester seine Einstandshakeleien im „Rheingold“ vergessen und Lust auf die nächsten „Ring“-Teile macht.
Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau
Sabina Cvilak, hat ein Töchterchen (und eine ältere Tochter? ein Kindermädchen?, alle sind blond und volkstümelnd gekleidet) und einen kalten, wurschtigen Mann, Young Doo Park.
Mit Siegmund, Richard Furman, bildet sie ein sehr ansehnliches, jugendliches Paar, was sich auch stimmlich niederschlägt: Cvilak (bereits in Linz zu hören) und Furman (am Ende fast die am meisten umjubelte Partie, der Akzent allerdings zum Teil noch arg markant) lassen nicht zuletzt hören, wie lyrisch schön ihr Part ist.
Ungemein rührend (wie neulich in Karlsruhe übrigens) gestaltet sich die Schlussszene zwischen Vater und Tochter. Dass Brünnhilde in einer Art Niederwalddenkmal-Walküre schlafen wird, lässt einen – im Nichtzusammenhang mit dem Ganzen – etwas ratlos zurück. Die Statue wird divers umflammt, die Feuerprojektionen an der Rückwand gehen noch dazu in Bilder eines Luftkriegs (?) und schließlich in eine erleuchtete Großstadtansicht (Times Square?) über. Erstaunlich.
Gerd Grochowski, der Wotan, der als tragisch ambivalente Figur stark ist, um den man sich als Heldenbariton aber immer etwas Sorgen macht, kommt am Ende solide auf den Punkt. Gorniks schlanke Brünnhilden-Stimme macht neugierig darauf, wie sie den „Siegfried“ bewältigen wird.
Andreas Bomba, Frankfurter Neue Presse
Das muss man Uwe Eric Laufenberg lassen: Er liest die Texte der Opern, die er inszeniert, sehr genau. Den der „Walküre“ zum Beispiel. Sie handelt von einer ersten Idee Wotans, den an die Alberich-Sippe verlorenen Ring und damit die Macht über die Welt zurückzugewinnen. Zu diesem Zweck hat er, unter dem Pseudonym „Wolfe“, Siegmund gezeugt. Fricka, die vielfach betrogene Gattin, redet ihrem Gemahl das Vorhaben jedoch aus. Anstatt dem Helden bei seinem Erlösungswerk zu helfen, bedrängt Wotans Tochter Brünnhilde Siegmund daher, gleich mit nach Walhall zu kommen, anstatt sich im Kampf mit Hunding zu messen.
Siegmund zögert: „Grüßt mich in Walhall froh eine Frau?“ – „Wunschmädchen walten hier“, verspricht die Walküre. Da strömen sie schon herein, nebenan ins Hauptquartier, die leichtbekleideten Frauen mit Jungfernkranz und räkeln sich auf dem Tisch, an dem zuvor die Führung der Wehrmacht Strategien für den Krieg ausgeheckt hatte. Eine bloße Illustration? Man denkt an die Verlockungen für islamische Attentäter der Gegenwart – ist das wirklich bei Wagner schon ein Thema? Oder Insignie einer machtgeilen Männerwelt, die sich zur Not nimmt, was sie nicht freiwillig bekommt?
Der Wiesbadener Intendant Laufenberg ist nicht erst seit seinem Bayreuther „Parsifal“ bekannt für seine Attacken auf Tabus im religiösen Diskurs. Auch beim Walküren-Ritt, einer der beliebten Schauseite im „Ring des Nibelungen“, zu Beginn des dritten Aktes, schaut Laufenberg genau hin. Wotans Töchter, die auf so merkwürdige Namen wie Gerhilde, Helmwige und Roßweiße hören, sammeln Helden, das heißt: Sie erschlagen wahllos junge Männer und bringen sie nach Walhall. Das ist nicht so protzend wie die Musik, sondern grausam; Tote und Verwundete werden hereingeschleppt, Wotans Töchter spielen mit Leichenteilen. Zum Staunen des Publikums trabt sogar – auch hiervon ist im Text die Rede – ein leibhaftiges Pferd über die Bühne, Walhall fungiert nun als eine Art Reithalle (Bühne: Gisbert Jäkel) und erinnert irgendwie an die Reichskanzlei.
Zu bewundern ist daher nicht nur die Kondition von Gerd Grochowski, dem wütenden Wotan, der hinter aller Gefühlskälte seine Tochter und ihren Mut bewundert; von Sonja Gornik, einer strahlenden, kämpferischen Brünnhilde und Sabina Cvilak, die der Sieglinde neben dramatischen Höhen auch furchtvoll dunkle Tiefen verleihen kann. Resolut und herrisch Margarete Joswigs Fricka, Richard Furmans (Siegmund) kopfiger Tenor findet dagegen selten andere Ausdrucksmöglichkeiten als gleißende Kraft. Die Intensität der Aufführung konzentriert sich in den eher kammermusikalischen Dialogen: Frickas Streit mit Wotan, herrliche „Szenen einer Ehe“, Wotans Dispute mit der Lieblingstochter Brünnhilde, Brünnhildes vergebliches, auch emotional aufgeladenes Bemühen um Siegmund. Man darf auf den weiteren Verlauf dieser Erzählung, also gespannt sein.