Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg

Komponist/Autor
Richard Wagner
Inszenierung
Uwe Eric Laufenberg
Musikalische Leitung
Michael Güttler
Bühne
Rolf Glittenberg
Kostüme
Marianne Glittenberg
Orchester
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden
Chor
Chor & Extrachor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
Mit
Wiederaufnahme 2023.2024 => Hermann, Landgraf von Thüringen | Young Doo Park, Timo Riihonen * Tannhäuser | Aaron Cawley, Klaus Florian Vogt * Elisabeth | Betsy Horne, Elena Bezgodkova * Venus | Katrin Wundsam * Wolfram von Eschenbach | Benjamin Russell, Christopher Bolduc * Walther von der Vogelweide | Gustavo Quaresma * Biterolf | KS Thomas de Vries * Heinrich der Schreiber | Ralf Rachbauer * Reinmar von Zweter | Mikhail Biryukov * Ein junger Hirt | Stella An ///

Premierenbesetzung 2017.2018 => Musikalische Leitung | GMD Patrick Lange * Hermann, Landgraf von Thüringen | Young Doo Park (IMF: Albert Pesendorfer) - Tannhäuser | Lance Ryan (IMF: Klaus Florian Vogt) - Elisabeth | Sabina Cvilak - Venus | Jordanka Milkova - Wolfram von Eschenbach | Benjamin Russell (Christopher Bolduc, IMF: Markus Brück) - Walther von der Vogelweide | Aaron Cawley - Biterolf | Thomas de Vries - u.a.
Termine

Spielzeit 2017.2018 (mit IMF) / 2018.2019 (mit IMF) / 2023.2024

GASTSPIEL Teatro Petruzzelli in Bari / Italien
11. / 13. / 14. / 15. Oktober 2023

Rezensionen
16.10.2023

Erfolgreiches Gastspiel des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden mit »Tannhäuser« in Bari - Wiesbadener »Tannhäuser« begeistert italienisches Publikum

Vier äußerst erfolgreiche Vorstellungen von Richard Wagners »Tannhäuser« hat das Hessische Staatstheater Wiesbaden am 11., 13., 14. und 15. Oktober 2023 beim Gastspiel am Teatro Petruzzelli in Bari (Italien) gegeben.

Dabei gab es im Vorfeld Bedenken darüber, ob der »deutsche Regiestil« mit einem italienischen Publikum kompatibel sei. Zeitungen diskutierten vor der Premiere über die »kontroverse« Inszenierung des »Avantgarderegisseurs« Uwe Eric Laufenberg. So fragte etwa Francesco Mazotta (Corriere del Mezzogiorno Puglia) im Interview: »Innovative Inzenierungen werden in Italien immer kritisch beäugt. Haben Sie keine Angst, das Publikum zu verärgern?« Laufenberg: »Ehrlich gesagt Nein. Wir spielen das, was Wagner geschrieben hat, und versuchen dieses für das heutige Theater sinnfällig zu erzählen und erlebbar zu machen. Sinnliche Erfahrungen, Schönheit und ein wahres Erleben sind das, was wir anstreben.« Angesprochen auf aktuelle Fälle, in denen Politiker der rechten Fratelli d’Italia gegen moderne Inszenierungen interveniert haben, hält er fest: »Ich halte gar nichts davon, wenn Politik sich in Kunst einmischt. Das ist Zensur und einem westlichen demokratischen Land unwürdig. Die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Presse ist ein hohes Gut und sollte in keinem Land der Erde zur Disposition stehen. In einem europäischen Kernland wie Italien erst recht nicht.«

Die Aufführungen von »Tannhäuser« wurden mit stürmischem Applaus aufgenommen. Die Regie von Uwe Eric Laufenberg – einstudiert von Spielleiterin Silvia Gatto –, die Ausstattung von Rolf und Marianne Glittenberg und die Musikalische Leitung von Michael Güttler, der den Chor und das Orchester des Teatro Petruzzelli dirigierte, wurden gefeiert. So auch die Sänger:innen, vor allen Aaron Cawley bei seinem Debüt als Tannhäuser, Betsy Horne und Elena Bezgodkova als Elisabeth, Birger Radde als Wolfram, Young Doo Park als Hermann und Jordanka Milkova als Venus.

»Unter großem Beifall [… ] wurden die Protagonisten der bemerkenswerten Aufführung gefeiert«
In der Gazetta del Mezzogiorno war zu lesen: » Schockierend ist der I. Akt, […] sehr stimmungsvoll (die Regie, das Bühnenbild und die Kostüme von Rolf und Marianne Glittenberg) ist der gesamte dritte Akt mit einem großen Kreuz in einer Landschaft aus Schnee und Eis. […] Das so konsequent im 20. Jahrhundert angesiedelte Bühnenbild, die Präzision des Orchesters (unter dem Dirigenten Michael Güttler) und die tadellose Diktion der Sänger machen den Wert deutscher Inszenierungen wie der des Staatstheaters Wiesbaden verständlich. […] Die Leistung der Sängerinnen und Sänger auf dem Podium war ausgezeichnet und präzise, ebenso die des Chors unter der Leitung von Fabrizio Cassi, ganz zu schweigen vom Petruzzelli-Orchester in großartiger Form unter der Leitung von Michael Güttler. Unter großem Beifall des zahlreich erschienenen Publikums im Petruzzelli (das trotz der fast vierstündigen Dauer bis zum Schluss treu und beständig blieb) wurden die Protagonisten der bemerkenswerten Aufführung gefeiert.«
Auch der Freundeskreis des Hessischen Staatstheaters war mit 23 Mitgliedern in Bari und schloss sich dem Jubel des italienischen Publikums an.

16.10.2023

Bari, al Petruzzelli Tannhäuser non sconvolge ma resta un capolavoro
Successo per l’opera di Wagner con l'Orchestra diretta da Michael Güttler. Replica oggi
Ebbene no. Non siamo stati sconvolti dai nudi ambosessi che hanno affollato l’ inizio al I atto del Tannhäuser di Wagner, in scena al Teatro Petruzzelli (prima volta a Bari), quando il cavaliere-cantore soggiorna nella «caverna di Venere» irretito dalla dea pagana col suo amore sensuale: anzi la trovata del regista Uwe Eric Laufenberg appare utile a solleticare pruriti voyeristici, curiosità e flussi turistici, ma nulla sottrae, e nulla aggiunge, alla fruizione del capolavoro wagneriano. Si dia poi per scontato il pregio e il limite degli allestimenti tedeschi, questo del Staatstheater di Wiesbaden, così lineari e geometrici scenicamente nell’ ambientazione novecentesca, nel rigore dell’ orchestrazione (qui col direttore Michael Güttler), nell’ impeccabile dizione dei cantanti. Il surplus servito di crudité-nudité (nudi smaltati e compassati più che sensuali, in effetti) lascia il protagonista solo, dopo il lungo prologo con video di visioni romane-vaticane e poi con extatiche visioni tipo Lsd, dopo l’ abbandono del Venusberg, il peccaminoso Monte di Venere: resta solo a dibattere il conflitto fra «amor profano» rifiutato con Venere e «amor sacro» anelato con la casta principessa Elisabeth.

Opera cruciale di Wagner (è del 1848, anno rivoluzionario!) dove il dissidio irrisolto fra sensi e spirito, fra carne e anima, è sublimato dalla musica, fusa con la parola: in primis l’ ouverture contiene i motivi e temi dell’ opera, dal totale valore simbolico ma con qualche residuo (vedi alcuni concertati) della «vecchia maniera». Dopo lo sconvolgente I atto (qui la scena chiusa e geometrica da Interno Berlinese si apre a sfondi di natura e boschi) con la «fuga» di Tannhauser e il suo ritorno alla corte cavalleresca dei «cantori» e di Elisabeth. Il II atto si prolunga alquanto nella «gara poetica» dei cavalieri, dove qui tornano elementi di Medioevo (in mantelli, croci e posture varie) visto che poi il Tannhäuser storico, un Meistersinger, sarebbe del 1200. Molto suggestivo (qui la regia segna un colpo, così la scena e i costumi di Rolf e Marianne Glittenberg) è tutto il III atto con la grande croce riversa in un paesaggio di neve e gelo: il pellegrinaggio a Roma di Tannhauser ha mancato la grazia del perdono, Elisabeth la Santa si sacrifica e muore per salvare l’ anima dell’ amato, peccatore ma poeta. Questi rifiuta l’ ultimo allettamento della Venere pagana e in abito da sera (solito accompagno di qualche nudo, con coppe di champagne) anzi si esala nel sacrificio, s’ immola e si salva l’ anima, nella gloria luminosa del paradiso cristiano.

Magnifica la musica, in pieno sinfonica, con squilli alternati a romanticissimi passaggi, aperti su «paesaggi musicali» timbrici estremamente coinvolgenti. Ottima e puntuale la resa dei cantanti in campo, così del Coro guidato da Fabrizio Cassi, per non dire dell’Orchestra del Petruzzelli in gran spolvero sotto la direzione di Michael Güttler. Applauditi molto dall’abbondante pubblico nel Petruzzelli (restato fedele e costante fino in fondo, ad onta delle quasi 4 ore di durata) sono stati i protagonisti del notevole spettacolo: Aaron Cawley era Tannhauser mano mano sempre più convinto e convincente (domani canta Heiko Borner) , Elisabeth era una Betsy Horne di gran carisma (anche ci sarà Elena Bezgodkova), la Venere era l’ intensa mezzosoprano Jordanka Milkova. Anche validi Birger Radde (Wolfram) e Young Doo Park (Langravio).

21.11.2017

"Tannhäuser" in Wiesbaden | Chancenloser Grenzgänger
Hier der erotische Sündenpfuhl, dort die fromme, reine Liebe: In der Oper "Tannhäuser" treten zwei Welten gegeneinander an, zwischen denen der Held zerrissen umherirrt. Die subtile Inszenierung am Staatstheater Wiesbaden verwebt die Gegensätze und zeigt ihre inneren Widersprüche auf.

Umrauscht von Klängen christlicher Jubelgesänge verschwindet Tannhäuser am Ende im diffusen weißen Nebel seiner Erlösungs-Illusionen. Zuvor war seine Liebe, Elisabeth, ins suizidale Dunkel des Selbstopfers gegangen. Nur ein wehendes weißes Nachthemd bleibt von ihr zurück: Das bewusst fragwürdig gestaltete Finale dieses durch und durch frag-würdigen Wiesbadener Tannhäuser. Frag-würdig freilich in dem Sinne, dass Regisseur Uwe Eric Laufenberg mit fantastischen Sängern und großer Genauigkeit ganz unprätentiös das gesamte Arsenal der Doppeldeutigkeiten, Ambivalenzen und inneren Widersprüche zur Kenntlichkeit bringt.

Vom Rom-Pilger zum Höllenballett
Systematisch und vom ersten Moment an: Rom-Pilger, die eben noch andächtig einem Papst-Video gelauscht hatten, springen aus den schwarzen Parkas und verwandeln sich, leichtgeschützt oder splitternackt, in ein lasziv posierendes Höllenballett auf dem Venusberg. Während das Video - die einzige mediale Unterstützung dieser Inszenierung - nun im Takt der Musik ein rasantes Pandämonium von Metamorphosen, Sprüngen und Mutationen biologischer, geologischer und kultureller Phänomene ausleuchtet.
Im Schnelldurchlauf wird dort visualisiert, was keiner von Wagners Protagonisten zu erfassen fähig ist: dass die Welt nicht aus Schuld und Sühne, Fluch und Erlösung, Engeln und Teufeln, Schwarz und Weiß besteht, sondern eine gemischte Gemengelage widersprüchlichster Art ist. Und das auch musikalisch: denn unter Patrick Langes Leitung entfalten Orchester und Sänger ebenfalls eine eher ungewohnte, geradezu ambivalente Klangvielfalt von dissonanten Reibungen über kurze virtuose Eruptionen - bis zum Verlöschen. So dass zum Beispiel der zurückgenommene Venusberg-Rausch als von den Beteiligten selbstinszeniertes Kunstprodukt erscheint.

Zerrissene Klänge, rumorende Gefühle
Laufenbergs Regie orientiert sich, ebenso wie Patrick Langes Dirigat an diesen Vorgaben - werkgetreu im besten Sinn. Dieser Tannhäuser der zerrissenen Klänge, der rumorenden Gefühle und latenten Eruptionen ist nicht gegen den Strich gebürstet und er gibt auch nicht vor, in der Gegenwart zu spielen. Die Sängerhalle ist einfach eine Halle mit langen Bankreihen, in der das "Volk" in züchtigen, um Repräsentation bemühten Gewandungen selbstgerecht einher stolziert. Und der Venusberg ist nur eine Tanzfläche, auf der Tanzeleven posieren. Das genügt, um die beiden Welten zu markieren, die gegeneinander antreten: Hier der Venusberg, der verrufene erotische Sündenpfuhl. Dort die Welt um die blonde Elisabeth - in der Liebe viel mit Anbetung, nichts mit Sinnlichkeit zu tun hat. Schon die leiseste Berührung löst Skandalwogen aus.
Dazwischen zwei chancenlose Grenzgänger. Elisabeth, eine in der gebotenen Sterilitäts-Maske gefangene Halb-Heilige. Und Tannhäuser, der mehr oder weniger hilflos nach beiden Richtungen austeilt. Er strandet, von der Dauerlust gelangweilt und von der frommen Gesellschaft verfemt, im Niemandsland.

Kein Klamauk und keine Karikaturen
Lance Ryan, der gefeierte Wiesbadener Tannhäuser, manövriert sich virtuos in diese Doppelrolle hinein: Erst liefert er - kunstvoll lustlos - Venus ein Notbekenntnis zur freien Liebe ab. Dann versucht er, sich seiner merkwürdig starren Geliebten Elisabeth anbetend zu nähern. Doch mehr als ein Lippenbekenntnis ist der zu Tode Domestizierten in Ihrer himmelblauen Marien-Robe nicht abzuringen. Beim Sängerwettbewerb fällt er dann so aus der Rolle, dass nur eine Pilgerfahrt ihn vor dem Zorn der anständigen Leute retten kann. Später wird sich Elisabeth in eiskalter Einsamkeit zu Tode warten, der unerlöste Rom-Rückkehrer kommt zu spät. Da ist sie schon längst nackt in den Tod gegangen - wie andere zur Liebeslust.

Eine hoffnungslose Welt aus sanftmütigen Hardlinern und kultivierten, Kunst-interessierten Fanatikern, die jede und jeden ausstoßen, der die Grenzen ihres Regelsystems auch nur berührt. Man muss die tödliche Rigidität gegen moralisch bedenkliche Gefühle nicht im Islam suchen.
Kein Klamauk, keine Karikaturen - subtile, präzise Nachzeichnungen einer zerrütteten Werte- und Gefühlswelt - in der wir uns wieder erkennen können. Wenn wir mutig sind. In einer selten gehörten musikalischen Interpretation, die auf große Wagner’sche Effekte verzichtet und die Tiefenstruktur auch unserer ambivalenten Affekte ergründet.