DON GIOVANNI

Oper Köln
Komponist/Autor
Wolfgang Amadeus Mozart
Inszenierung
Uwe Eric Laufenberg
Musikalische Leitung
Markus Stenz
Bühne
Gisbert Jäkel
Kostüme
Antje Sternberg
Orchester
Gürzenich-Orchester
Chor
Chor der Oper Köln
Mit
Christopher Maltman, Simone Kermes, Mirko Roschkowski, Nikolai Didenko, Maria Bengtsson, Mikhail Petrenko, Wolf Matthias Friedrich, Claudia Rohrbach

Termine
Rezensionen
28.06.2010

Dieser Don Giovanni ist gnadenlos modern.

30.06.2010

Uwe Eric Laufenberg bringt eine faszinierende Sichtweise dieser "Oper aller Opern" (...) auf die Bühne. Laufenberg interessieren nicht der metphysische Gehalt, sondern das, was dieses drama giocoso heute noch bedeutsam machen könnte.

02.07.2010

Doch wie Uwe Eric Laufenberg sein Ensemble da in schönster Tradition zur finalen "anticissima canzon" an der Rampe positioniert, könnte man meinen, mit der Giovanni- Entsorgung sei durch Geisterhand das Gleichgewicht der Welt wiederhergestellt: So gehts dem, der Böses tut. Soll mans glauben?

30.07.2010

Köln Intendant Uwe Eric Laufenberg holt die mythische Figur in die Gegenwart. In einem noblen Stadthotel mit Videoüberwachung und Luxusbett residiert ein Lüstling, der Eroberungen in seinem IPhone archiviert. Christopher Maltman ist hinreißend in seiner Untiefe und Coolness. Ein Mensch ohne Nachtseiten. Laufenberg hat sein Ensemble zu prächtiger Spielfreude animiert und nichts dem Zufall überlassen. Perfekt getaktet (...) eine perfekt und stimmig erzählte Geschichte (...) Ein Riesenerfolg.

29.06.2010

Don Giovanni ist im elektronischen Zeitalter angekommen. (...) Der Kölner Don Giovanni ist längst niemand mehr, der sich gegen moralische Standards auflehnt, die es im 21. Jahrhundert so freilich auch nicht mehr gibt, er ist kein Revolutionär, sondern ein Zeitgenosse, der seine hedonistische Lebensweise nur erfolgreicher und radikaler auslebt als andere. Das Charisma dieses Mannes macht nicht nur Frauenherzen schwach, sondern vermag auch die Massen zu bewegen. (...) Musikalisch ist die Kölner Neuproduktion großartig. Markus Stenz gelingt hier der vielleicht beste Abend der laufenden Saison. Der Klang des Gürzenich-Orchesters ist vom ersten d-Moll-Tutti der Ouvertüre an unglaublich präsent.

27.03.2010

Musikalisch ist die Kölner Aufführung eine Sensation. Einen besseren Don Giovanni als den Engländer Christoph Maltman gibt es derzeit kaum. (...) Simone Kermes singt als verlassene Geliebte Donna Anna jede kleine Verzierung mit großer Empfindung und gestaltet ihre Arien mit einem psychologischen Feingefühl, dass selbst Mozart auf die Knie sinken würde.(...)
Uwe Eric Laufenberg (...) hat das Niveau des zuvor kriselnden Hauses stabilisiert und nun für den "Don Giovannni" ein Mozartensemble engagiert, das auch im internationalen Vergleich Spitze ist."

01.08.2010

Das Licht im Zuschauerraum ist noch an, da knallt schon der markante Eröffnungsakkord von Mozarts "Don Giovanni" den Premierenbesuchern um die Ohren. Kein ungeschicktes Timing, sondern bereits Inszenierung. Hier und jetzt spielt Don Giovannis Geschichte, der Plot steht eins zu eins mitten in unserer etablierten Gegenwart. Und Uwe Eric Laufenbergs zweite Inszenierung in seinem ersten Kölner Intendantenjahr kitzelt aus diesen wahrhaft simplen Regieanweisungen einen hohen Unterhaltungswert heraus. Es wird elegant und entkrampft jongliert mit Aktualität und Zeitgeist. Finanziell sorgenfrei residiert Kölns Don Giovanni in einem Hochglanz- Appartementhaus. Das Einheitsbühnenbild seiner halbrunden, weiß-sterilen Edelsuite hat neben riesigem Bett, begehbarem Kleiderschrank und hoher Schiebetür vor der Außenwelt vor allem eines zu bieten: Eine Powerpoint- Wand, auf die Kameras das Geschehen außerhalb des Zimmers projizieren. Man ist also hier stets bestens informiert über jeden, der das Haus betritt, über Geheimnisse und Initimitäten, die dem Voyeur erpresserisch taktierende Macht verleihen. Neben der Information steht die Organisation: zur Registerarie, in der Mikhail Petrenko als Leporello mit farbenreichem und prallem Baßbariton brilliert, wird Giovannis Smartphone hochgefahren- mit dicht gefülltem Adressverzeichnis, pikanten Fotos und markierten Stadtplänen. Ein höchst souveränes Management von Liebschaften quer durch Europa. Das Publikum hat fast johlenden Spaß an dieser bösen Präsentation, Donna Elvira bekanntermaßen nicht. Und es geht weiter Schlag auf Schlag: Leporellos Digi- Cam beamt den sonst anonymen Zuschauer zur Champagner- Arie überlebensgroß auf die Leinwand, das Ständchen wird ins Handy geträllert mit Klingeltönen vom Conituo, "Viva la Libertà" mutiert zur Partie- Orgie mit viel nackter Haut von Stars und Sternchen- Freiheit im mainstream statt frei bestimmter Individualität. Für Christopher Maltman erweist sich dieser Regieansatz als Maßfertigung. Smart, attraktiv und durchtrainiert macht sein Don Giovanni in jedem Verführungs- Outfit zwischen Anzug, Seidenbademantel oder Hawaihemd blendende Fgur. Sein bruchlos kerniger Kavaliersbariton spielt zudem luftig locker in den Rezitativen, umschmeichelt die schmachtenden Melodien, attackiert in Ensemblesätzen und Kampfszenen- mit dem "gewissen Etwas" tanzt Maltman unwiderstehlich sicher auf diesem Drahtseil zwischen saftem Genussmenschen und eiskaltem Brutalo- Schläger gegen den der Komtur des klar intonierenden Nikolai Didenko mit seinem Golfschläger als Angriffswaffe keine Chance hat. Neben diesen Spaßfaktoren steht aber auch bitterer Ernst- und das auch an ungeahnter Stelle. Zerlina und Masetto feiern hier eine muslimisch türkische Hochzeit. Dadurch bekommen die moralisch heiklen Themen wie "Ehrenkodex" und "Verführung" fast zündelnde Aktualität. Die Schande für Masetto ist vernichtend, Zerlina wird im Bühnen-Off heftig von ihm verprügelt, der Familienclan fordert tödliche Konsequenz. Doch die Regie bleibt hier nicht plakativ ungeschickt stecken: Masetto lernt macho-ferne Zärtlichkeit und Zerlina mutiges Selbstbewußtsein und sie entwickeln sich zu einem starken moralischen Standpunkt, der Ehrlichkeit Tradition, Gemeinschaft und Verantwortung füreinander dem Nihilismus entgegensetzt. Wolf Mathias Friedrich ist ein markanter Masetto mit satt männlichem Timbre, Claudia Rohrbachs ernsthafte Zerlina wird mit dem Zauber einer wunschlos glücklichmachenden Mozartstimme gar zur Inkarnation der Partie. Hinter dem Sichtschutz von Burkas verbergen sich auch die "Seria"- Charaktere auf Don Giovannis Fest- eine raffinierte Lösung in diesem Regiekontext. Ansonsten gehören sie zur mondänen Hight- Society, ebenfalls ihr wahres Ich versteckend hinter unsichtbaren Verhaltensmasken und Inkonsequenz. Donna Anna verliert sich in der fatalen Situation, dass sie den Mörder des eigenen Vaters begehrt. Simone Kermes setzt Annas inneren Kampf dementsprechend um, gestaltet die Partie fast durchgehend in einem elektrisierenden Piano, um dann am Ende des "Non mi dir" mit furios auftrumphendem Atem zu brillieren. Don Octavio bleibt verklemmt und einsam wie eh und je, ist nur theoretisch ein überzeugender Liebhaber. Diese Tragik interpretiert Mirko Roschkowski mit soviel Gefühl und Stil, dass ein exponiertert Wackler im "Il mio tesoro"schnell vergessen ist. Donna Elvira präsentiert sich als taffe blonde Karrierfrau in modischer Perfektion, und schmelzt letztlich wie Butter in der Sonne dahin bei jeder Form von zärtlicher Zuwendung. Maria Begtson läßt explizit rund die Wärme ihres Timbres strömen, Koloraturen perlen weich und exakt, Emotionen schwingen intensiv und satt. Man glaubt ihr am Schluß tatsächlich den Gang ins Kloster als eine bewußte Entscheidung zur Selbstfindung. Durch die Gefühlsdusche von Komödie und Tragödie bewegt sich mit Grandezza, Kraft und Spielwitz ein glänzend aufgelegtes Gürzenich- Orchester. Markus Stenz gestaltet abwechslungsreich und dicht, läßt Effekte knallen oder genußvoll auskosten und hat den Schlagabtausch zwischen Graben und Bühne zielsicher im Blick. Ein reaktionsschneller und witziger Partner am Continuo ist Roderick Shaw. Nach dem Sommer steht zunächst ein Gastspiel dieses Giovanni in Bejing an, danach wird die Produktion auch wieder in Köln zu sehen sein.
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