Der Sturm
7. Oktober 2023 - Premiere
14. / 18. / 26. / 29. Oktober 2023
25. November 2023
27. Dezember 2023
11. / 20. Januar 2024
Katharina Deschka, FAZ
Der Meister lässt die Puppen tanzen - Intendant Uwe Eric Laufenberg hat Regie geführt und spielt selbst die Hauptrolle: Mit dem „Sturm“ von Shakespeare beginnt sein Abschied vom Staatstheater Wiesbaden.
Während die Wellen das Schiff umherwirbeln, die Menschen darauf um ihr Leben bangen, lässt der weißhaarige Mann den Sturm immer stärker werden. Er schwingt seinen Zauberstab, ein irrer Dirigent des Winds und der Wellen, er entfesselt die Naturgewalten und richtet sie gegen seine Feinde. Auf einer die ganze Bühne überspannenden Leinwand ist das hilflos strudelnde Segelschiff zu sehen, die Männer an Bord dahinter, vor der Leinwand tanzt besessen der Zauberer. Mit solchem Theaterdonner beginnt „Der Sturm“ von William Shakespeare am Hessischen Staatstheater Wiesbaden.
Intendant Uwe Eric Laufenberg selbst hat die Regie geführt – das Stück ist der Auftakt seines Abschieds, denn mit Ende der Spielzeit wird auch seine umstrittene Amtszeit enden. Laufenberg ist zugleich noch in die Hauptrolle des Prospero geschlüpft. Er gibt jenen um sein Herzogtum Mailand betrogenen, auf eine einsame Insel verbannten Mann, der sich zwölf Jahre nach seinem Sturz an seinen Widersachern rächen kann. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Sie alle – sein Bruder Antonio, der König von Neapel Alonso, der damals Antonio bei der Beseitigung Prosperos half, dazu Alonsos Bruder Sebastian sowie Alonsos Sohn Ferdinand – werden mithilfe der magischen Mächte Prosperos und dem von ihm entfachten Sturm auf die Insel gebracht, auf der der Alte mit seiner Tochter Miranda seit vielen Jahren leben musste.
Wie Prospero mit der Hilfe des Luftgeists Ariel genüsslich die Männer unter seine Gewalt bringt, die ihn einst beseitigt haben, ist großes Theater: Ein mit magischen Mächten ausgestatteter Mann übt Rache. Er stellt seine Ehre wieder her. Und lässt am Ende Milde walten, indem er seine geläuterten Gegner verschont.
Das wahrscheinlich letzte Stück Shakespeares hat im Laufe der Zeit viele Deutungen erfahren. Prospero wurde als Selbstporträt Shakespares verstanden – ein alter Mann, der sich zurückzieht. Dass Uwe Eric Laufenberg sich jetzt selbst als Prospero in Szene setzt, ist eine Aussage. „Bald ist mein Werk getan. Jetzt treibt mein Unternehmen zur Vollendung“, zitiert Laufenberg Shakespeare im Programmheft. Vergleicht sich der scheidende Intendant mit dem abdankenden Dichter?
Nachdem am Staatstheater Streitigkeiten mit dem „Ministerium“ jüngst in einem gleichnamigen Stück ziemlich unverbrämt verhandelt wurden, verzichtet Laufenberg in seinem „Sturm“ auf eingeschobene Anspielungen. Shakespeares Drama alleine genügt ihm. Zwei, drei Andeutungen auf die „miese Hütte“ und die „öde Insel“, auf die er verbannt gewesen sei, sind alles. Vom Publikum gibt es dafür zustimmendes Gelächter.
Ansonsten aber steht der Klassiker im Vordergrund. Die von Rolf Glittenberg erbaute Bühne zeigt eine klassizistische Wandelhalle. Es genügen ein paar Stühle und aus Ästen geflochtene Kugeln. Der Bühnenzauber entsteht durch die Handlung – mit magischen Tricks Prosperos, mit ihrer Sinne beraubten Männern, die über die Insel wandern, und mit den sich auf den ersten Blick Liebenden, Miranda und Ferdinand. Irrungen und Wirrungen lassen darüber hinaus Auftritte des Luftgotts Ariel, der als Harpyie mit schwarzen Federn über die Bühne fliegt, die Geister mit Kochmützen und schwarzen Masken sowie magische Tanzszenen und Gesänge aus dem Off entstehen.
Klara Wördemann gibt eine Miranda, die so anschmiegsam und wie aufmüpfig sein kann. Benjamin Krämer-Jenster ist König Alonso, der sich seiner ehemals verübten Schandtat leichter bewusst wird, trauert er doch um seinen verloren geglaubten Sohn (Lukas Schrenk). Uwe Kraus als Gonzalo hat Prospero einst geholfen – über seine Gutmütigkeit lachen die anderen jedoch. Die bösen, hochdekorierten Herren im feinen Anzug geben Michael Birnbaum und Christian Klischat so geschmeidig wie heimtückisch: Das Messer tragen sie in der Anzugjacke.
Für komische Szenen sorgen Matze Vogel als Sklave Caliban, der sich dem betrunkenen Diener Stephano (Philipp Steinheuser) an den Hals wirft, und dessen Freund Trinculo (Paul Simon). Die drei dürfen sich über die Bühne wälzen und sinnlos kämpfen, aufeinandergehetzt vom Luftgeist Ariel. Den spielt Maria Wördemann anmutig und aufgebracht: Sie will endlich in die Freiheit entlassen werden.
Laufenberg in der Hauptrolle zeigt seine Figur Prospero in Facetten, die von Rachewahn, üblen Kolonialmanieren gegenüber Caliban bis zu Güte reichen. Einmal sieht er sich von schwarzen Geistern umringt, die alle sein Gesicht auf einer Maske tragen: Man kann das durchaus als Selbstironie des Regisseurs deuten, des „Meisters, der die Puppen tanzen lässt“, wie er sich im Stück selbst beschreibt. Seine vielen Ichs verscheucht er schreiend.
Am Ende enthüllt Prospero seine Identität: In Wiesbaden zieht man Laufenberg die weißhaarige Perücke vom Kopf. So ist es der Intendant persönlich, der sich zum Schluss vor dem Vorhang ans Publikum wendet und um Nachsicht bittet.
Judith von Sternburg, FR
[...] Laufenberg, das war ein Vorzug, hat immer wieder einmal selbst gespielt und immer Rollen – Dr. med. Hiob Prätorius, Professor Henry Higgins, König Kreon, Michael Kramer –, die bei aller Unterschiedlichkeit der Situationen changieren zwischen einem Rechthaber und einem, der Recht hat. Die Männer zeigen, die Macht haben, mit dieser Macht aber auch etwas anfangen müssen. Müssten. Prospero passt da wunderbar hinein, keine tragische, aber gebeutelte Figur. Ein Mann, der verraten worden ist, heftig zurückschlägt und seine Überlegenheit ausspielt, wie man es gewiss in keinem Führungsseminar lernt. Freilich auch ein Mann, der seinen Weg geht. Und der weg will von dieser Insel, nun ja, was auch immer damit gemeint ist.
Laufenberg-Prospero hat ein paar Lacher auf seiner Seite, als er sich umschaut in der „miesen Hütte“, was sich auf Rolf Glittenbergs schmucke lichte Palastumrisse ebenso beziehen kann wie auf das Große Haus des Staatstheaters selbst. [...]
Birgitta Lamparth, Wiesbadener Kurier
[...] Überhaupt spielt in dieser Inszenierung Tanz und Musik eine große Rolle - bisweilen auch mit grellen Klängen, wenn Laufenberg Shakespeare beim Wort nimmt: Analog zu Prospero, der die Regie für das Possenspiel der Knallchargen - köstlich sind Matze Vogel als Neandertal-Sklave Caliban, Paul Simon als schräger Clown Trinculo und Philipp Steinheuser als angeschickerter Butler Stephano - in die Hände Ariels legt, übergibt Laufenberg sie für diese Szene dem Ensemble. Und das greift tief in die Trickkiste, es lebe die Bühnen-Anarchie. Dazu zählt auch ein fragiler Tanz, bei dem die Protagonisten eine Maske mit dem Konterfei des Intendanten tragen. Hier sind alle irgendwie Laufenberg.
Dessen Inszenierung kleckert nicht, sondern klotzt - bisweilen fast bis zum Overkill. Musik aller Genres, Slapstick und Akrobatik, Köche mit Gasmasken und Gewehren, Video-Projektionen von tosenden Meeren, vom Bühnenhimmel herabgelassene Personen oder solche, die aus der Tiefe der Bühne emporgleiten. [...]
Markus Gründig, Kulturfreak.de
[...] Uwe Eric Laufenbergs Prospero ist ein besonnener und großer Macher, der auch gerne von der Seite oder im Hintergrund beobachtet und dann wortgewaltig gezielt eingreift. Die Zwillingsschwestern Maria und Klara Wördemann agieren elegant verführerisch und lebhaft als Miranda und als Ariel. Ihre optische Angleichung in Form von Frisur und chicen Frack (Kostüme: Marianne Glittenberg), sorgt des öfteren für eine leichte Verwirrung, wer den nun gerade wer ist. Eine starke Präsenz zeigt der von fast allen geschundene, wilde und missgestaltete Sklave Caliban des Matze Vogel (nur mit einem Lendenschutz bekleidet). Gemeinsam mit dem trinkfreudigen Butler Stephano (Philipp Steinheuser) und dem Clown Trinculo (Paul Simon) bildet er ein Trio, dass für die heiteren Momente des knapp dreistündigen Abends (inklusive einer Pause) sorgt. [...] Viel Applaus für alle Beteiligte.