DIE SATANISCHEN VERSE
Moritz Führmann, Ulrich Rechenbach, Serkan Sahan, Helmut G. Fritzsch
Diverse
Von der Gretchen- zur Sicherheitsfrage...
Märkische Allgemeine, 31.03 08
Deutschlands mutigstes Theater ...
Bild, 28.03.08
Die gefährlichste Theaterpremiere der Welt...
Arte.edition, 30.04.2008
Das Theater, das die Angst besiegte...
BZ, 31.03.2008
Das sind die mutigsten Schauspieler der Welt...
Bild am Sonntag, 30.030.2008
Die "Satanischen Verse" endlich auf der Bühne
Die Welt, 30. März 2008
Was für eine Aufregung...
Spiegel online, 30.3.08
Die gute Nachricht zuerst: es ist nichts passiert
Der Tagesspiegel, 1.4.08
"Viel Lärm um nichts" könnte man das Polizeiaufgebot für die Uraufführung der "Satanischen Verse" gestern rund um das Hans Otto Theater betrachten. Denn die friedliche Idylle am Tiefen See war nicht wirklich in Gefahr. Durch die Medien wurde eine Bedrohung suggeriert, die an der Situation vorbeiging.
Märkische Allgemeine Zeitung, 31.03. 08
Am Tag der Premiere hatte es das Projekt bis in die BBC Wold News geschafft: Die deutsche Polizei würde zusätzliche Kräfte bereithalten, um eine Aufführung von Salman Rushdies "Satanische Verse" zu schützen. Die einzigen Eindringlinge im Potsdamer Theater waren dann aber die Fernsehteams, die vor und nach der vierstündigen Aufführung am Sonntagnachmittag ganz umsonst auf Proteste lauerten.
Frankfurter Rundschau, 01.04.08
Diverse
Regisseur Laufenberg hat das Mammutbuch in einen fast genialen Theatertext verwandelt. Aber seine Inszenierung ist terroristisch öde.
BILD, 31.3.2004
"Satanische Verse" begeistern Theaterpublikum
ZDF, 30.3.08
Le Figaro
La fatwa s'est arrêtée avant Potsdam. (...)
La pièce de près de quatre heures met en scène, comme le roman, les aventures de deux Indiens de Londres, un acteur vedette de Bollywood, et un imitateur de voix. Victimes de l'explosion de leur avion détourné par des pirates de l'air, ils se retrouvent vivants sur terre, l'un dans la peau de l'ange Gabriel et, par moments, de Mahomet, l'autre sous les traits du diable, avec sabots, cornes et queue provocante. Ils engagent un dialogue souvent onirique autour de la lutte entre le bien et le mal. Entre le moderne et l'antimoderne. L'Occident et l'islam. La foi et le doute.
Le spectacle aux allures souvent crues, y compris une scène de simulacre de sodomisation, tient souvent du grand guignol plus que des dialogues philosophiques. Lesquels, souvent, se limitent à l'invocation de dualités comme « les vers et les contre-vers, le monde et le contre-monde » pour aboutir à des conclusions comme « il n'y a qu'un Dieu, et c'est Allah ».
Neues Deutschland
Dieser Teufelspakt ging auf. Vier Stunden lang, aber trotz vieler Längen keine Langeweile, dank der eindrucksvollen Theatralität der (...) zwölf Szenen bei den "Prospekte nicht und nicht Maschinen" geschont wurden, vor allem aber dank des großartigen Ensembles. Rushdie ist ein begnadeter Dichter-Romancier von überbordender Sprachfantasie und Bilderkraft – und er ist ein Dichter des Politischen im weitesten und tiefsten Sinne des Wortes: Ein Radikaler und ein Aufklärer, aber aus einer Kultur stammend, der indischen, wo Aufklärung nicht kantianisch sondern poetisch dekliniert wird. Unmöglich, die Satanischen Verse auf eine Kurzformel zu bringen – aber worum es geht, ist die Entstehung der Religiosität aus dem Geiste der Poesie und umgekehrt, der Poesie aus dem Geiste der Religiosität.
Die Szenen, die Laufenberg und Mislin zu einer Bühnenfassung des Romans locker und ohne logische Stringenz aneinander reihen, sind narrativ ebenso »unverständlich« wie die magisch-lyrische Schreibweise Rushdies. Man tut gut daran, gar nicht zu versuchen, sie ›auf die Reihe‹ zu bringen. Man darf sich ihnen staunend hingeben, darf dramaturgische Verwandtschaften und Parallelen zum »Faust« entdecken, im mörderischen Propheten Mahound Wesenszüge Fausts und in seinem Freund und Gegenspieler bis zu Maske und Pferdefuß einen Wiedergänger Mephistos (in dieser Rolle zeigt Tobias Rott jene am Schluss begeistert applaudierte schauspielerische Verwandlungskunst, die ihm als Mephisto versagt gewesen war), und man darf sich auf Rushdies poetische Kraft und künstlerisch-humanistische Botschaft verlassen, deretwegen die mörderische Fatwa über ihn verhängt worden war.
Man wird Fragmente nachdenkenswerter Einsichten mit nachhause nehmen, wie etwa die radikalste Zuspitzung von Goethes Faust-Kritik an der konsumistischen Moderne – Gottes Rache, dass er unsere Wünsche erfüllt ...
Das Ende ist eine kaputte Welt mit kaputten Menschen, auf die herab der falsche Prophet Mahound (Robert Gallinowski besticht nicht zuletzt durch eine vorbildliche Sprachkultur) mit der Trompete die Posaune vom Ende der Welt bläst. Aber zuvor hatte es einen Lichtblick im Dunkel von Verwirrung und Chaos gegeben: Perser Salman (Rushdie?) stirbt »gerettet« mit einem glücklichen Lächeln, obwohl – oder weil – er »ohne Gott« diese Welt verlässt.
Die »Satanischen Verse« strahlen ihre vielschichtige, komplexe und doch letztlich ganz vorsichtig optimistische Botschaft aus – vor allem dank des spürbaren Engagements aller Schauspieler, auf deren namentliche Aufzählung hier leider verzichtet werden muss. Dem Regisseur ist eine gewagte Herausforderung gelungen, wie sie nur dem Theater möglich ist und über die weiter nachzudenken wünschenswert wäre.
Süddeutsche Zeitung
...Robert Gallinowski als Gibril und Tobias Rott als Saladin werden an der Spitze des zwölfköpfigen Ensembles ihr bestes geben, um alles gleichzeitig zu erledigen. Den Parforceritt durch die säkulare östlich-westliche Welt aus Sex und Untreue, die Satire auf die Religionsgründung des als "Mahound" maskierten Mohammed, die Begegnung mit den synkretistischen Disco- Religionen und den Transzendenzerfahrungen der westlichen Himalaya- Besteiger, das Erbe der jüdischen Naziopfer etc.
Potsdamer Neueste Nachrichten
Terroristen entführen ein Flugzeug, sprengen es in die Luft. Wunderbarerweise überleben zwei Passagiere, Gibril Farishta und Saladin Chamcha. Die beiden vom Himmel Gefallenen landen mitten in unserer multikulturellen, globalisierten Welt. Von Stund an sind sie schicksalhaft wie Faust und Mephisto miteinander verkettet. Als indische Immigranten in England leben sie zwischen Staaten, Sprachen und Kulturen, als Filmschauspieler kennen sie die alten und die neuen Wunderwelten, seien es Mythen, Religionen oder kommerzielle Fernsehwerbung – eine verführerischer und traumhafter als die andere.
Nachdem die Ankündigung der weltweit ersten Dramatisierung und Aufführung am Hans Otto Theater bereits im Vorfeld viel Aufsehen erregt hatte, war man gespannt, wie „Deutschlands mutigstes Theater mit den mutigsten Schauspielern“, wie eine Zeitung schrieb, mit diesem Stoff umgehen würde, der immerhin ein islamisches Todesurteil gegen den Autor hervorgerufen hatte. Selbst heute, 20 Jahre nach der ersten Publikation, besteht diese Fatwa noch und zwingt Salman Rushdie zum Leben unter permanenter Bewachung.
Um Sensationshascherei ist es Regisseur Uwe Eric Laufenberg nach eigenem Bekunden nicht gegangen. Für ihn resultierte die Beschäftigung mit Rushdies Roman aus seinen Reflexionen zur Neuinszenierung von Goethes Faust. An die Stelle des ursprünglich vorgesehenen Faust II setzte er schließlich die dramatisierte Fassung der Satanischen Verse, die ihm als passendere Fortsetzung der alten Geschichte erschienen.
In der Tat frappieren die Parallelen zwischen beiden Werken. Hier wie dort wird Welttheater entworfen, eine schier unübersehbare Folge von Ereignissen und Reflexionen behandelt, die an die Grundfesten von Moral und Gesetz, von Sitte und Gesellschaft rühren. In beiden Werken bilden Engel, Teufel und Menschen das Personal. Doch bei Goethe sind die Identitäten fest verankert – einschließlich der zwei Seelen in Fausts Brust – , er wird vom Willen bestimmt, sein Erkenntnisdrang führt ihn ins Verhägnis. Gibril und Salman irren dagegen als multiple Personen durch Rushdies Weltpanoptikum, sind Engel und Teufel, Prophet und Dichter. Sie sind vom Himmel gefallene Wesen und Überlebende zugleich, was ihnen eine existenzialistische Note verleiht. Während Goethe im idealistischen Überschwang seiner Zeit seinem geschundenen Protagonisten noch Himmelfahrt und quasi religiöse Erlösung gewährte, ja selbst den Teufel errettete, bleibt in Rushdies Roman alles offen.
Wohin kritisch-aufklärerischer Wissensdrang führen kann, hat Salman Rushdie nach dem Erscheinen der „Satanischen Verse“ am eigenen Leib erfahren. Dabei stellte er „nur“ in bester westlicher Tradition, unter Berufung auf Gedanken- und Meinungsfreiheit, einige der letzten Dogmen unserer Zeit in Frage. So ähnlich befragten schon die Aufklärer vor 250 Jahren die Allmacht des Christentums. Ist Rushdie der Voltaire unserer Zeit? Wie dieser unterzieht er die Allmacht der Religion einer kritischen Diskussion, nur dass es diesmal der Islam ist.
Der Westen hat inzwischen mehr oder weniger gelernt auch mit den negativen Früchten der Aufklärung, mit all den Widersprüchen, Zweifeln und Negationen, zu leben. Dazu leistet das Hans-Otto-Theater mit seiner grundsoliden Inszenierung einen Beitrag. Schon die Kondensierung von Rushdies über 500 Seiten starkem Text auf 100 Seiten (Fassung: Uwe Eric Laufenberg und Marcus Mislin) ist ein Kunststück. Rushdies rasantes Pastiche mit Figuren, Zitaten und Ideen aus mehreren Jahrtausenden westlicher, islamischer und hinduistischer Kultur wird mit nüchterner Klarheit zerlegt. Dabei bleibt das intensive Bemühen um lebendiges, bühnenwirksames Geschehen stets spürbar.
Nicht zuletzt das riesige Engagement aller Schauspieler trägt dazu bei, dass selbst trockene Reflexionen über Gut und Böse, Glaube und Religion, Schuld und Vergebung deutlich werden. Robert Gallinowski spielt Gibril Farishta und Mahound mit großen Gebärden, die stets einen satirischen Unterton und eine geradezu philosophische Distanz bewahren. Sehr emotionale Züge verleiht Tobias Rott dem armen Teufel Saladin, doch seinem Dichter Baal fehlt es an kalter Hybris. Toks Körner steckt voller Spiellust im Monolog des Persers, Roland Kuchenbuch spielt Abu Simbel und den Vater listig durchtrieben. Caroline Lux windet, rekelt und schlängelt sich mit körperbetontem Spiel, Anne Lebinsky faucht in akkuraten Ausbrüchen, zuverlässig und präsent, Rita Feldmeier brilliert gleich in vier verschiedenen Rollen. Ein sehr dezentes Bühnenbild (Matthias Schaller) und unauffällige Kostüme (Nina Lepilina) befördern das Spiel der Worte ungemein.
Mit der Inszenierung von Salman Rushdies umstrittenem Roman „Die Satanischen Verse“ ist das Potsdamer Hans Otto Theater in der Gegenwart angekommen. Es hat dabei einen Volltreffer gelandet, aus großer Fallhöhe und wunderbarerweise ganz ohne Blessuren.
Diverse
Starker Premieren- Applaus für eine Geschichte, die schon deswegen die Buchdeckel in Richtung Theater und vielleicht auch einmal Film verlassen sollte, weil Fanatiker dieses Buch und seinen Schöpfer vernichten wollten und wollen.
Oranienburger Anzeiger, 1.4.2008
Rushdie erteilte den Potsdamern auf ihre Anfrage, seinen Roman zu adaptieren, postwendend die Erlaubnis. Bis zuletzt hoffte man, der große Skeptiker und unerschütterliche Humanist werd aus dem Untergrund auftauchen und zur Premiere leibhaftig erscheinen. Sorry, er war im Geiste unter uns.
Die Welt, 30.03.2008
Eine Sache, die man gar nicht hoch genug loben kann. Denn endlich weiß man, worüber man spricht. Denn außer, dass Salman Rushdie vor 20 Jahren mit der Fatwa belegt wurde, die die Muslime in aller Welt aufrief, den Schriftsteller zu töten, kannten wohl die wenigsten den "Stein des Anstoßes". (...) Toleranz einzuklagen ist eine vornehmliche Aufgabe der Kunst. Dazu haben Rushdie und in seinem Sinne das Hans Otto Theater eingeladen. Viel Lärm um nichts? Mitnichten. Man kann gar nicht laut genug gegen Ausgrenzung und religiöse Engstirnigkeit auftrumphen.
Märkische Allgemeine Zeitung, 31.03. 08