NACHTASYL
NZZ
Die da unten sind nicht besser, als wir da oben: was Gorki aus Erfahrung wußte und Laufenberg mit mal böser, mal liebevoller Ironie nachzeichnet, macht die Allgemeingültigkeit des Stückes aus, von dem sich deshalb jedermann, wiewohl er Kraft seines Geldbeutels großzügige Solidarität mit Unbemittelten und Notleidenden zu praktizieren pflegt, angesprochen fühlen darf, auch ohne mit dem Moralfinger darauf hingewiesen zu werden.... Ausrufezeichen, Ende; Nastja tanzt allein weiter wie ein Automat und uns hilft niemand dabei, Schlüsse zu ziehen. Das ist schön. Laufenberg und sein Ensemble, die drei Stunden lang mit opulenter Spielphantasie und - zuweilen- Detailverliebtheit aus einem ziemlich undramatischen Stück haarsträubende, himmelstraurige, urkomische, absurde, widersprüchliche Geschichten sonder Zahl hervorzauberten, ersparen uns nicht, selber zu denken. Ein Angebot.
Basler Zeitung
Laufenberg, 38, einer der besten seiner Generation, wählte sich früher für seine Züricher Inszenierungen stets Dramen, welche die soziale und revolutionäre Frage stellten- oder er inszenierte Shakespeare neu. Seinen furiosen Hamlet ließ er in Heiner Müllers Geschichtspessimismus verrecken; unvergeßlich auch die nackten Bluthexen in Laufenbergs Basler Macbeth. Bevor die Schweizer Theater zugriffen, holte sich Bernd Wilms den ebenso textklugen wie kühnen Laufenberg als Oberspielleiter nach Berlin. Von dort kehrte er nun als Gastregisseur nach Zürich zurück. Mit Gorki. Mit exzellenten Schauspielern wie Klaus Manchen und Katharina Thalbach. Mit einer an Selbstverleugung grenzenden Verbeugung vor dem Eigenleben der einzelnen Figuren, der Schauspieler, der Menschen, ja dem Menschentum an sich.Diese menschenfreundliche, unparteiliche Regiehaltung wird der Essenz von Gorkis Nachtasyl gerecht: Jeder Mensch hat einen Wert, egal, wer er ist.
Züri Tip
Laufenberg ist zurückgekehrt zumindest für eine Gorki Inszenierung. Der 38-jährige führte in den letzten zwei Jahren das Berliner Gorki Theater von Erfolg zu Erfolg.